Streuner-Hilfe in Trebinje – wohin mit all den Hunden?
In Sarajevo haben wir mit Elzemina, der Projekt Koordinatorin der UNDP gesprochen. Sie hat uns über die Zusammenarbeit mit der IFAW informiert und das gemeinsame Projekt zur Bekämpfung des Strassenhunde-Problems in Bosnien-Herzegowina vorgestellt.
Sie gab uns den Kontakt zu zwei Personen in Trebinje weiter – eine der sechs Pilotgemeinden in Bosnien-Herzegowina – und so kam es, dass wir Dimitrije und Mira von der Human Community “SPASI” vor Ort zum Gespräch getroffen haben.
Das Treffen mit den lokalen Projekt-Verantwortlichen
Nach unserer Ankunft in Trebinje können wir auch schon bald ein Treffen mit den Verantwortlichen abmachen. Vor den Toren der Altstadt werden wir von zwei lokalen Vertretern begrüsst, die sich für das Projekt engagieren, aufgrund ihrer Stellung aber nicht namentlich genannt werden möchten. Sie führen uns in ein Restaurant, erbaut zur Osmanischen Zeit und gut in Schuss gehalten, wo etwas später auch Dimitrije Radanovic, der Präsident, sowie Mira Kurtovic, ein weiteres Mitglied, dazu stossen. Zu sechst sitzen wir nun da, lernen uns erst etwas kennen und kommen danach auf den Grund unseres Treffens zu sprechen: Die herrenlosen Hunde von Trebinje.
Was ist bis jetzt passiert in Trebinje
Vor rund einem Jahr fand der erste Workshop der IFAW hier in Trebinje statt. Wie uns Elzemina bereits in Sarajevo erklärt hat, geht es dabei darum, dass die lokalen Bewohner aus ganz verschiedenen Schichten an einen Tisch sitzen und sich bewusst werden, dass nicht die Hunde Ursache des Problems sind, sondern die Menschen. Diese vier Leute hier bei uns setzen sich alle freiwillig für die Bekämpfung des Problems mit den Streunern ein. Es sind alles Menschen, die Tiere lieben und nur deshalb so viel Zeit für die herrenlosen Hunde aufbringen. Die Situation, so versichern sie uns einstimmig, habe sich schon stark verbessert, aber es sei ein langer Weg, diese positiven Veränderungen nicht nur temporär zu erhalten.
Die ersten Schritte nach dem Workshop
Die Hunde waren in einem schlechten Zustand. Als erstes mussten sie diese deshalb einfangen, entwurmen, von sonstigen Parasiten befreien, Impfungen geben und individuelle Verletzungen sowie Krankheiten behandeln. Zur medizinischen Versorgung gehört auch, dass die Hunde kastriert/sterilisiert werden, um einer weiteren Verbreitung vorzubeugen.
Trebinje hat zudem ein lokales staatliches Tierheim. Dorthin wurden viele der Hunde nach der medizinischen Versorgung gebracht. Aktuell leben dort 112 Hunde in Zwingern. Diese Lösung ist aber keine gute, wie wir erfahren.
Weiter versuchen wir den Grundbedürfnissen der Hunde gerecht zu werden. Es wurden im Ort Zugänge zu Trinkwasser erstellt, das Tierheim gibt einigen von ihnen Schutz und wir kümmern uns um die medizinische Versorgung sowie Prävention mit Sterilisationen und Kastrationen. Die Situation hat sich schon deutlich verbessert, aber perfekt ist sie noch nicht.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die Information der Halter. Es gibt keine Gesetze zur Hundehaltung in Bosnien-Herzegowina und viele Besitzer wissen nichts von verantwortungsbewusster Hundehaltung. So sind wir hier am informieren und sehen auch, dass wenn sich ein Mensch ändert, der Nachbar das sieht und sich manchmal denkt ‘Das kann ich auch!’. Es gilt auch die Halter zu informieren, dass Kastration/Sterilisation nichts schädliches für die Hunde ist und auf die MicroChips hinzuweisen. So kommen wir Schritt für Schritt weiter, aber auch hier braucht es viel Zeit für die Veränderung.
Tierheim ist nicht gleich Tierheim
Tierheime im deutschsprachigen Raum sind Orte, an denen die Versorgung der herrenlosen Tiere bestmöglich gewährleistet wird, wo interessierte Menschen kommen und vielen Tieren ein neues zu Hause geben. Hier in Trebinje und vermutlich in ganz Bosnien-Herzegowina sieht das ganz anders aus.
Das Tierheim wurde auf einer Abfalldeponie erbaut, der Boden war günstig. Die Heime sind staatlich finanziert, die nötigsten Bedürfnisse – Essen und Wasser – sind gedeckt. Doch kommt da niemand vorbei und adoptiert einen Hund, da ist niemand, der mal einen Spaziergang mit den Tieren macht und die Hunde kommen meist von der Strasse, sind also nicht sozialisiert mit Menschen. Es ist kein guter Ort für die Tiere, sie sind nicht frei. Die meisten Tiere sterben nach 2-3 Jahren dort. Lokale Menschen würden Rassehunde bevorzugen, die sie oft im Welpenalter z.B. aus Serbien bekommen. Wird der Hund dann lästig, fliegt er auf die Strasse.
Hier will SPASI ansetzen
Streuner einzufangen und in das Tierheim zu bringen, ist keine Lösung, wenn sie dort nicht wieder hinaus kommen. Das haben sich auch die Mitglieder gedacht und überlegen an einer Möglichkeit, das Tierheim mit Schulklassen aber auch Erwachsenen aus dem Ort zu besuchen. Auch ein Radiospot und wenn möglich ein Fernsehbeitrag sollen helfen, den Leuten zu zeigen, dass im Tierheim ganz normale Hunde leben und sich ein Besuch – im besten Fall mit einer Adoption – lohnen kann. Das sind aktuell Ideen, wir stehen am Anfang.
Einen alten gefestigten Menschen zu ändern ist nahezu unmöglich, deshalb setzt auch hier die Grundidee bei den Kindern an. Sie sind zur Zeit in Zusammenarbeit mit der IFAW an der Ausarbeitung eines Schulklassen-Programms. Ziel ist es, bereits den Kindern zu zeigen, was einen verantwortungsbewussten Hundehalter ausmacht. Wenn du etwas in der Gemeinschaft ändern willst, musst du die Kinder ändern. Nur braucht es Zeit, bis die Kinder älter werden und eine Veränderung einsetzt. So viel Zeit haben die aktuell im Tierheim lebenden Hunde aber nicht.
Auslandsadoptionen als Soforthilfe
Schon bald merken wir, dass sich diese Leute als wahre Hilfe ein Adoptionsprogramm ins Ausland wünschen. Bis vor rund 6 Monaten sei regelmässig eine Dame gekommen, die Hunde aus dem Tierheim via Sarajevo nach Österreich gebracht hat. Das gab kurzzeitig Linderung. Doch der Kontakt ist abgebrochen, warum genau konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Die Zahl der Hunde steigt laufend, aber es gibt keine Möglichkeit mehr, sie zu senken. Durch das Treffen mit uns erhoffen sie sich nun, eine Stimme ins Ausland zu erhalten und vielleicht ja sogar einen neuen Kontakt knüpfen zu können. Die Hunde hätten Pässe, seien medizinisch versorgt, nur der Transport sei zu klären. Doch aus unserer Sicht fehlt noch ein wichtiges Instrument für eine Zusammenarbeit mit dem Ausland – ein Internetauftritt.
Internetseite soll dieses Jahr erstellt werden
Sie wünschen sich nichts sehnlicher als einen “Abnehmer” ins Ausland. Doch ohne eine eigene Internetseite, mit Bildern von den zu vermittelnden Hunden, wird es wohl schwierig werden. So wundert es nicht, dass dies eine der Pendenzen für dieses Jahr ist. Erst hätten alle Hunde medizinisch versorgt werden müssen, erst jetzt kann über eine Vermittlung nachgedacht und somit eine Plattform geschaffen werden.
Das wichtigste und allererste Ziel für dieses Jahr ist aber ganz klar einen Kontakt zu einer ausländischen Organisation zu finden, damit die herrenlosen Hunde im Ausland adoptiert werden können.
Fühlen sich im Süden allein gelassen
Ein Teil der Schritte müssen doch alle sechs Gemeinden machen, so fragten wir, ob sich die sechs Pilotgemeinden denn untereinander austauschen würden. Nein, jeder kämpfe erst einmal für sich, da alle ja ganz am Anfang mit diesem Projekt stehen. Einige hätten es durch die Nähe zu Sarajevo leichter, sie im Süden seien hingegen sehr weit weg und deshalb mehr auf sich gestellt. Wenn sie einen Kontakt zum Ausland herstellen könnten und ihr Problem soweit im Griff hätten, würden sie den Kontakt natürlich mit den anderen Gemeinden teilen.
Ein weiteres Problem sei, dass die Leute über ihr Projekt reden und es nun öfters vorkommt, dass Hundehalter aus umliegenden Städten – z.B. Dubrovnik oder Herceg-Novi – ihre unerwünschten Tiere in Trebinje aussetzen. Das mache die Situation natürlich nicht leichter, aber auch dafür würden sie eine Lösung finden. Ein anderes noch immer bestehendes Problem sind die Jäger, die freilaufende Hunde einfach abschiessen.
Unser Fazit über das etwas andere Hundeprojekt
Der Wille für eine Veränderung ist da, was aus unserer Sicht eine der wichtigsten Voraussetzungen ist. Speziell der erste Workshop bringt sicher ein grosses Umdenken und viel mehr Verständnis gegenüber den Hunden, was eine richtig tolle Sache ist. Wir würden uns – als Aussenstehende, die nicht bis ins Detail Bescheid wissen – wünschen, dass die Gemeinden mehr zusammenarbeiten und nicht jeder für sich kämpfen muss. Gerade bei der Erstellung von Internetseiten zur Präsentation der Hunde könnte es in der Gemeinschaft deutlich schneller vorangehen.
Wir sind glücklich zu sehen, dass die Probleme ernst genommen werden und andere Lösungen als die bisherigen mit Erschiessen und/oder Vergiften gesucht und umgesetzt werden. Der wohl grösste Berg an Arbeit steht mit der Änderung der Denkweise von den lokalen Menschen zusammen und das braucht wohl auch am meisten Zeit.
Wir wünschen den Pilotgemeinden weiterhin gutes vorankommen und hoffen fest, dass sich diese positive Entwicklung in Zukunft behaupten kann.
Was denkst du, wären solche Projekte auch in anderen Ländern sinnvoll? Was hältst du von Auslandsadoptionen? Ein Thema für dich oder möchtest du erst den herrenlosen Tieren aus unseren Ländern helfen?
Tierische Grüsse aus Trebinje
dein comewithus2-Team
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