Wie eine Reise das Leben verändern kann

 

Unser Bloggerkollege Igor von “7 Kontinente” hat uns kürzlich eingeladen, bei seinem Projekt 360: Um die Welt, zu dir selbst mitzumachen. Hier geht es darum zu zeigen, dass verschiedene Blogger über eine Reise in ein bestimmtes Land berichten, welches eine persönliche Veränderung in ihrem Leben hervorbrachte.

Wir durften Igor vor ein paar Wochen am Fernweh-Festival in Bern persönlich kennenlernen, dabei begegneten wir uns als “Fremde” und gingen als Freunde wieder auseinander. Die Chemie stimmte auf Anhieb, beinahe zwei Stunden haben wir über das Reisen philosophiert, haben über Werte und Ziele gesprochen. Umso mehr freuen wir uns, nun Teil seines spannenden Projektes zu sein.


Mein Erlebnis: Wie mich Albanien verändert hat

Ich schreibe diesen Artikel an einem Mittwochnachmittag in Bilbao. Seit dem Morgen prasselt der Regen unaufhaltsam auf unseren Camper. Von der atemberaubenden Aussicht, die wir vom Campingplatz aus über die Stadt geniessen könnten, haben wir heute nichts. Nur kurz blitzt am Himmel ein Regenbogen auf und lässt Hoffnung aufkeimen – zu früh gefreut.

Wir entscheiden uns für einen Arbeitstag, wie so oft in den vergangenen Monaten wenn es regnet, es bietet sich einfach an. Ich durchforste den Posteingang unseres überquellenden Mailfachs und stosse auf die Anfrage von Igor, dabei lasse ich den Blick über die, an diesem Tag, graue spanische Stadt schweifen.

Genau so „Grau“ war für mich vor unserer Abreise im Januar auch Albanien. Ausser dass viele Profis der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft von dort stammen und der Staat einen Adler auf dem Wappen trägt, wusste ich gelinde gesagt nichts über das kleine Land an der Adria. Eine Meinung hatte ich mir aber natürlich schon gemacht. Man hört und liest ja viel…

Als wir im vergangenen Jahr mehr und mehr über unser Projekt preisgaben, Freunde und Bekannte in unser Vorhaben einweihten, umso mehr erfuhr ich auch über Albanien. „Was, ihr fahrt nach Albanien? Da wird euch alles geklaut!“, „Albanien? Da gibt es doch nix!“, „Ihr wisst aber schon, dass ihr in Albanien ausgeraubt werdet?“ so und noch ein bisschen extremer waren die Rückmeldungen darauf, dass wir planten, in den Balkanstaat zu fahren.

Albanien Strände Reisen Autofahren

Albanien hat genauso schöne Strände wie Griechenland oder Kroatien.

Wie gesagt, meine Meinung war gemacht – kaum verwunderlich also, meldete sich mein Bauch beim Grenzübergang von Montenegro nach Albanien ein paar Monate später zu Wort. Ein klares Zeichen bei mir für Nervosität. Na super, jetzt fahren wir in ein so gefährliches Land, schoss es mir durch den Kopf, und alle bösen Stimmen sprachen in dem Moment zu mir. Als ich die Seitenscheibe langsam nach unten drehte, lief mir zeitgleich der Schweiss von der Stirn. „Përshëndetje“ entgegnete mir der freundliche Zöllner. Përsh… was? Steffi versuchte mich zu beruhigen, das heisst sicher nur Hallo auf Albanisch. Ich in meiner Welt war mir da schon fast sicher, dass wir jetzt verhaftet werden. Mit einem folgenden „Hello“ holte mich der kräftige Zöllner zurück in die Realität.

Nach der kurzen Führung durch unseren Camper, wie wir sie immer machen dürfen am Zoll, durften wir passieren. Wir waren keine 10 Minuten auf der Albanischen Strasse unterwegs, als wir an einen schweren Verkehrsunfall fuhren. Ein Auto qualmend im Strassengraben. Ich versuchte gar nicht erst hinzuschauen, als mir schon durch den Kopf schoss: … und dann fahren sie auch noch wie die Henker.

Esel a Strassenrand Kopf im Gebüsch, Albanien Reisen

Das Gras ist am Strassenrand bestimmt grüner, dachte sich dieser kopflose Esel in Albanien wohl.

Die weiteren Kilometer auf der Strasse waren anspruchsvoll. Eine Kuh da, ein Esel dort, ein Schlagloch mitten auf der Strasse. Als wir nachmittags bei brütender Hitze unseren Campingplatz in Shkodra erreichten, war ich durch mit den Nerven und legte mich erstmal hin. Nach ein paar Stunden der Ruhe, die nur durch die Poolbauer auf dem Areal gestört wurden, konnte mich Steffi dann noch für ein Abendessen im Campingplatz-Restaurant motivieren. Ich schloss Karl doppelt ab, man weiss ja nie, und machte mich auf ins besagte Lokal. „Përshëndetje“ entgegnete uns der Kellner, während er uns an einen freien Tisch führte. Leise flüsterte ich Steffi ins Ohr: „Ganz schön, schön hier.“ Steffi schmunzelte mich an. Der restliche Abend ist schnell erzählt. Das Essen war vorzüglich, der Service äusserst freundlich und der Preis tief, wie nicht von dieser Welt.

Als wir am nächsten Morgen bei wunderbarem Sonnenschein auf dem Campingplatz frühstückten und den Vorabend Revue passieren liessen, beschlich mich das schlechte Gewissen. Was, wenn Albanien gar nicht so ist, wie immer alle sagen…

Um es gleich auf den Punkt zu bringen. Das schlechte Gewissen beschlich mich an besagtem Morgen nicht zu unrecht! Mein Ziel war es ja eigentlich, Albanien so schnell wie möglich zu durchfahren. Schlussendlich blieben wir 3 Wochen im Land! Wir erlebten eine unbändige Gastfreundschaft, eine beeindruckende Natur, leckeres Essen und eine geile Küste. Apropos Küste: Spricht man über Kroatien oder Griechenland wird immer von der fantastischen Küste und dem blauen Meer geschwärmt, dass Albanien am genau gleichen Meer liegt, wird wohl oft vergessen oder verdrängt…

- Blue Eye Quelle Syri i Kaster, Albanien

Hier beginnt neues Leben: Die Blue Eye Quelle oder Syri i Kaster in Albanien

Es war nicht etwa eine Meinung, die ich mir vor der Reise über das Land gemacht habe, es waren Vorurteile. Vorurteile von einem Land, über das ich so wenig wusste und über das von so vielen Leuten geurteilt wird, obwohl noch nie jemand da war!

Ich war nun in Albanien – 3 Wochen lang, bin durch das komplette Land gereist vom Norden in den Süden und wurde nicht einmal überfallen, ich wurde weder ausgeraubt noch blöd angemacht. Albanien ist nicht gefährlich, es herrscht keine Terrorgefahr, keine Kriminalität gegen Touristen.

Die einzige Gefahr besteht darin, im Land „hängen“ zu bleiben, weil es einfach so cool ist. Es gibt keine grossen Supermärkte, sondern Tante-Emma-Läden, Bäckereien und Metzgereien. Im Angebot ist das, was der Garten gerade hergibt. Saisonal, lokal. Man kennt sich, schätzt sich und passt nicht zu Letzt auf seine Mitmenschen auf.

Weiter in Griechenland rutschten wir wieder in die Anonymität ab, wir waren einfach ein Tourist, der so oder so kommt, ein Kunde in einem riesigen Supermarkt mit unzähligen Produkten, die wir in Albanien nie vermisst hatten, ein Auto auf der Strasse, welchem man nicht wie in Albanien winkt.

Die Reise nach Albanien hat mich verändert und mich eines gelernt: Vorurteile bilden Grenzen und diese zu überwinden ist sehr schwer. Ohne unser Projekt wäre ich nie nach Albanien gereist. Heute nach 27 bereisten Ländern in Europa ist es das Land, welches mich noch immer am meisten fasziniert. Und eines Tages, so bin ich mir heute schon ganz sicher, werde ich in das Land an der Adria zurückkehren, um noch tiefer in die spannende Kultur einzutauchen.

Und du, wann reist du nach Albanien?

Herzliche Grüsse von Lui – nun mit etwas weniger Vorurteilen