Mit Rollatoren und Rollstühlen um die ganze Insel Mallorcas

Mann mit Rollator und Dame mit Stock durch enge Gassen - Mallorca mit Senioren

Alcudia: Stadtrundgang mit Rollatoren/Rollstühlen problemlos möglich

Wo ein Wille, da ein Weg! Und wenn die Betreuer zusammen mit den Gästen der begleiteten Reisegruppen vom roten Kreuz diese Einstellung haben, dann hält sie nichts und niemand auf! Während drei Wochen durfte ich insgesamt über 150 Personen als Reiseleiterin mitbetreuen. Dabei erlebte ich lustige, traurige und spannende Geschichten und sah zusammen mit den Gästen auf zahlreichen Ausflügen sehr viel der grössten Insel der Balearen: Mallorca.

Begleitetes Reisen über das rote Kreuz – was ist das?

Die Verbände des deutschen sowie des österreichischen roten Kreuzes bieten ihren Mitgliedern Reisen mit Betreuung durch Freiwillige teilweise sogar mit professionellen Pflegepersonen an. Dieses Angebot bietet eingeschränkten Personen, sei dies mit einer Behinderung – geistig oder körperlich – oder einfach älteren Personen, die sich nicht mehr alleine zu reisen getrauen oder schlicht lieber in einer Gruppe unterwegs sind die Möglichkeit, zu bestimmten Terminen mit dem Verband des roten Kreuzes aus der jeweiligen Region zu verreisen.

Mit Via-Reisen, meinem Arbeitgeber, haben die Verbände einen starken Partner an ihrer Seite, der für sie alle Probleme vor Ort aus dem Weg räumt, der für passende Hotels mit entsprechender Infrastruktur sorgt, der die Ausflüge seniorengerecht plant und sich mit Notfällen von Arztbesuch über Spitalaufenthalt bis hin zu frühzeitigen Rücktransporten bestens auskennt.

Ausflug: Katamaran-Fahrt von Cala Millor nach Porto Cristo
Bei ruhigem Meer ein sehr schöner Ausflug und der Aufenthalt in Porto Cristo kann z.B. mit einer Besichtigung der Cuevas de Drac (Drachenhöhlen) oder des Perlenshops verbunden werden. Bei Wellengang ist der Einstieg ab Cala Bona zu empfehlen.  Mit dabei waren: eingeschränkt mobile Senioren, Personen mit Rollatoren und sogar zwei im Rollstuhl! Die Crew ist sehr hilfsbereit und geduldig.

Betreuer: Freiwilligenarbeit im eigenen Land

Für das Gelingen der Reise und einer guten Atmosphäre vor Ort sind die Betreuer eines der wichtigsten Glieder überhaupt. Sind sie organisiert, motiviert und bereit, sich selber für das Wohl der Gäste in den Hintergrund zu stellen, ist die Zusammenarbeit für uns Reiseleiter sehr viel einfacher und die Gäste spüren die gute Stimmung und lassen sich anstecken.

Kein gratis Urlaub sondern harte psychische sowie physische Arbeit

Obwohl die Betreuer weder Unterkunft mit Halbpension noch den Flug oder Ausflüge bezahlen, ist es für engagierte Personen keinesfalls ein Urlaub. Sie stehen in ständigem Austausch mit den Gästen. Sind erste Ansprechsperson bei Krankheiten, Unfällen oder helfende Hand wo immer die Gäste eine brauchen. Erinnern an die Zeiten der Medikamenteneinnahme, bringen vergessene Gegenstände ihrem Besitzer zurück oder schieben Rollstühle. Sie organisieren Jassabende, Strandspaziergänge, Kuchen essen oder Geburtstagsfeiern. Nehmen optimalerweise die Anmeldungen für die Ausflüge entgegen und teilweise sogar die Kosteneintreibung für diese. Und wenn in der Nacht etwas ist, sind sie nur einen Anruf von ihren Gästen entfernt.

Es braucht schon Leidenschaft und viel soziales Engagement, um eine solche Reise als Betreuer anzutreten. Der Dank und die Zufriedenheit der Gäste ist aber auf jeden Fall eine sehr schöne und reichhaltige Entschädigung.

Schwarze Schafe können Urlaub vermiesen

Wie überall gibt es natürlich auch schwarze Schafe unter den Betreuern. Wer ankommt und sich als erstes über Vergütungen informiert sowie sich vergewissert, dass sein Zimmer auch wirklich Meerblick hat, dem ist gar nicht bewusst, was es für einen gelungenen Urlaub für die Gäste alles braucht. Natürlich sollte sich jeder auch mal einen Moment der Ruhe nehmen können, aber das geht nur, wenn die Gruppe gut organisiert und eingespielt ist.

Wer dazu nicht bereit ist, nicht zuhört und schlussendlich seine Gruppe zu falschen Zeiten an womöglich noch falsche Orte bringt, wer kein Gruppengefühl entstehen lässt und mit den Leuten nichts macht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn die Gäste schlechte Laune haben und er/sie schlussendlich keinen “Urlaub” mehr als Betreuer machen kann.

Für uns Reiseleiter ist es gerade bei grösseren Gruppen unmöglich, zusätzlich zu unseren Aufgaben die Führung einer Gruppe zu übernehmen. Schlussendlich leidet der zahlende Gast unter der mangelnden Betreuung und das gilt es auf jeden Fall zu vermeiden.

Ausflug: Alcudia und Formentor
Als ehemalige Hauptstadt Mallorcas bietet Alcudia noch heute viel Geschichte und einen schönen Altstadtkern ganz im Nordosten der Insel. Von da ist es dann auch nicht mehr weit zum Aussichtspunkt auf der Halbinsel Formentor im Tramuntana-Gebierge. Dort gibt es seit wenigen Jahren übrigens eine Rampe für Rollstühle – so können auch in der Beweglichkeit eingeschränkte Personen einen Teil der Aussicht geniessen. Einer unserer zahlreichen Busse für die Ausflüge auf der Insel. Alcudia: Stadtrundgang mit Rollatoren/Rollstühlen problemlos möglich Puerta del Moll: Osttor von Alcudia – flache Gassen mit vielen Geschäften. Playa de Formentor mit dem berühmten Hotel – frühmorgens hinfahren! Diesen Ausblick können sogar Personen im Rollstuhl geniessen! Formentor am Ende der Aussichtsplattform nach den Treppen.

Meine Aufgaben als Reiseleiterin

Vielleicht denkst du dir, wenn die Betreuer so viel machen, kann ich als Reiseleiterin ja ne ruhige Kugel schieben. Denkste! Wer organisiert denn den Bus für die Ausflüge, informiert sich über mögliche Routen für die Katamaranfahrt und Kombinationsmöglichkeiten am Ankunftshafen oder sonstige kleinere Aktivitäten direkt vor Ort, wer steht mit den Boccia-Kugeln bereit und ist stehts zur Stelle, wenn grössere Probleme an die Betreuer herantreten? Auch nach 3 Tagen fragen wir noch geduldig nach den ausstehenden Zahlungen der Ausflüge, erklären, wo im Ort schonwieder die Apotheke, die Bank oder der Supermarkt ist. Wir kümmern uns um eine reibungslose An- und Abreisereise inklusive Kofferservice vom Gepäckband bis ins Hotelzimmer und diskutieren mit den Airlines, bis wir einen eigenen Schalter für den Check-In kriegen. Wir bemühen uns im Vorfeld darum, dass alle Wünsche wie Meerblickzimmer, Zimmer mit Dusche, Toilettensitz oder das Zimmer neben der Freundin erfüllt werden können und die Gruppe ihren festen Platz während dem Frühstück und Abendessen hat. Selbstverständlich steht am Geburtstag auch ein kleines Geschenk und eine handgeschriebene Karte auf dem Tisch. Wir stehen in ständigem Kontakt mit den Betreuern, bringen Ideen für Aktivitäten, helfen, wenn die Organisation in der Gruppe nicht so gut funktioniert und organisieren die Abreise. Wir sind stehts besorgt, am Ende eines Ausflugstages auch alle Passagiere wieder im Hotel abzusetzen. Dafür begleiten wir die Gäste auf den Touren und stehen an täglich während der Sprechstunde für alle erdenklichen Anliegen zur Verfügung. Um mal ein paar unserer Aufgaben zu nennen.

 

Senioren sind goldig – lustige Geschichten

Habe ich in der Schweiz oft mit Kindergruppen gearbeitet, so sehe ich viele Übereinstimmigkeiten jetzt mit den Senioren. Auf beide Gruppen sollte man stehts ein Auge haben, klare und eindeutige Ansagen verhindern Missverständnisse, sie möchten etwas Freiraum aber auch viele gemeinsame Aktivitäten und sind manchmal einfach etwas unbeholfen. Hier ein paar lustige Geschichten, die ich so selber erlebt habe, während der drei Wochen auf Mallorca:

  • Ich: ,,Frau Müller, wie gefällt Ihnen Ihr Zimmer? Alles in Ordnung?“
    Frau Müller: ,,Ja alles gut. Also naja da ist etwas… ich bin unmöglich so schnell mit Duschen, wie das Licht ausgeht.“
    Grübel…
    Ich: ,,Haben Sie denn einen Lichtsensor im Zimmer?“ – ich habe im gleichen Hotel ja keinen…
    Frau Müller: ,,Nein!“
    Grübel, grübel – Blitzidee: ,,Wenn Sie ins Zimmer kommen, stecken Sie ihre Karte in den Kartenschlitz und lassen diese auch da oder?“
    Frau Müller: ,,Aber nein! Ich steck sie rein und nimm sie doch wieder raus.“
    Ich: ,,Na dann lassen Sie die Karte mal schön stecken und werden sehen, jetzt geht das Licht nur noch aus, wenn Sie den Schalter drücken.“
  • Gespräch mitgehört…
    Betreuerin: ,,Ich habe einfach im Meer etwas Respekt vor der Brandung, da ist wie eine Stufe unter Wasser vom Sand…“
    Gast: ,,Dann sagen Sie mir beim nächsten Mal wenn Sie gehen Bescheid, dann komm ich mit und Sie können sich einhenken.“
    Verdrehte Welt. Der Mann ist 95 Jahre alt! Wasser sein Element!
  • Ich: ,,Liebe Gäste was meinen Sie, sollen wir nach der Besichtigung von Palma – wenn wir noch Zeit haben – am Ballermann im Bierkönig noch ein Bierchen trinken gehen?“
    Ein Gast: ,,Aber klar! Dann sende ich meinem Enkel ein Bild, der wird ganz schön eifersüchtig sein!“
    Selbstverständlich haben wir dann samt Rollatoren die Schinkenstrasse gestürmt.
Ausflüge: Palma mit Halt bei der Santuari de Cura und Valldemossa
Abwechslungsreiche Ausblicke, mal in die Ferne mal zu idyllischen Bergdörfern. Dank Panoramafahrt in Palma Fusswege verkürzt. Die Kathedrale ist soweit Rollstuhlgängig – nur entsprechende Toiletten fehlen. Im Oktober wartet nebst der fast 360 Grad Aussicht ein für uns spezielles Naturschauspiel in der Santuari de Cura: zahlreich blühende Krokus. Zum Schluss bleibt die Wahl: traditioneller Mandelkuchen genannt “Gato” oder doch lieber Party im Bierkönig am Ballermann?

Herzzerreissende Geschichten – ich habe keine Worte mehr

So lustig es mit den Seniorinnen und Senioren auch sein kann, so oft werden aber auch schwere Themen wie der Tod, Begräbnisse und Verluste angesprochen. Nicht selten stand ich diesen erfahrenen Menschen gegenüber und musste erst Schlucken, um eine Antwort zu finden. Und wenn du Lui fragen würdest, dann würde er dir sagen: Steffi ist der positivste Mensch überhaupt und kann selbst vom grössten Elend das Positive hervorheben. Halte ein Taschentuch bereit, Schicksale sind etwas trauriges…

  • Ehepaar während Ausflug: ,,Ach wissen Sie, wir waren hier schon oft. Früher mieteten wir uns ein Auto und erkundeten Mallorca selber. Jetzt wollen wir einfach nochmals zusammen die Orte besuchen. Alleine mit dem Auto geht das aber nicht mehr.“
  • Seniorin: ,,Ich beneide Sie ja so sehr, dass Sie so voller Energie gehen können.“
  • Seniorin: ,,Mir geht es heute nicht so gut. Das letzte Mal auf Mallorca war mein Mann noch dabei. Jetzt bin ich so alleine und es erinnert mich auf der Reise so viel an meinen geliebten Mann.“
  • Senior: ,,Wissen Sie, in unserem Alter weiss man nicht, ob man nochmals eine Reise machen kann.“
  • Senior: ,,Mit den anderen Gästen kann ich mich nicht so gut unterhalten, die Themen interessieren micht nicht. Früher war immer meine Frau dabei. Wir waren so viel zusammen unterwegs. Jetzt fühle ich mich hier etwas einsam.“
  • Seniorin: ,,Was würde ich bloss alles dafür geben, nochmal so jung wie Sie zu sein.“ Das war weder lustig noch sarkastisch sondern todernst gemeint.

Was würdest du sagen? Ich habe mich oftmals mit Sätzen wie ,,Aber jetzt sind Sie hier auf Mallorca und können es sich gut gehen lassen.“ oder ,,Ja, leider ist die Zeitmaschine noch nicht erfunden aber lassen Sie uns doch einfach den Moment geniessen“ einigermassen aus den Situationen gerettet. Mit einem Herren habe ich sogar einen Abend lang Herbas – den Kräuterschnaps – getrunken und geplaudert. Es hat ihm unheimlich gut gefallen und wir haben ein paar Gemeinsamkeiten gefunden.

Ausflug: Port Sollér
Durch einen Tunnel geht es zum versteckten Ort Port Sollér. Eine wunderschöne Kulisse: Meer, Strandpromenade und Formentor-Gebierge im Hintergrund. Wer lange genug wartet, sieht die historische Strassenbahn noch durch die Kulisse fahren – perfekt!

 

Mein neues Motto: Geniesse jeden Tag und wo ein Wille, da ein Weg!

Während dieser Zeit wurde mir wiedereinmal sehr deutlich gezeigt, dass Warten keinen Sinn hat, denn niemand weiss, wie es uns morgen geht. Die Gäste dieser Reisen haben das Glück, so in der Gruppe ihrer Reiseleidenschaft auch mit über 70, 80 oder sogar 90 Jahren noch nachkommen zu können. Viele ihrer Weggefährtinnen und -gefährten mussten sie aber bereits zurücklassen. Also auf was warten? Ich mach es lieber jetzt und geniess jeden einzelnen Tag als wenn es mein letzter wäre! Und wenn ich mit 90 noch fit genug bin, besuche ich meine liebsten Orte einfach nochmals!

Und vor allem die Gruppe aus Österreich, die echt schwere Fälle dabei hatten, zeigten mir: egal was du machen willst, wenn du es wirklich willst und bereit bist, über das normale an Einsatz hinaus zu gehen, dann wirst du einen Weg finden und nichts kann dich stoppen!
Kein Rampenbus für Palma? Dann bringen wir die zwei Personen im Rollstuhl irgendwie da rein! Der Wille der vier Betreuerinnen hat mich echt erstaunt und motiviert, mich selber niemals aufhalten zu lassen!

Alle wussten, das geht nicht! Dann kam einer, der wusste das nicht und schaffte es!

Schreib dein Lebensmotto oder deinen täglichen Motivationsspruch in die Kommentare und lass uns daran teilhaben.

Ich freue mich auf jeden Fall nun auf meine einwöchige Pause und darauf, danach nochmals eine Gruppe in Andalusien als Reiseleiterin begrüssen zu dürfen.

Herzliche Grüsse

dein comewithus-2 Team