Spanier und Tiere, da muss sich dringend etwas ändern!

Fohlen gibt Steffi Kuss auf Backe - Freiwilligenarbeit

Gegenseitiges Kraulen – ist Freiwilligenarbeit nicht toll?

Während viele Touristen nur die schönen Strände, das tolle Wetter und die Architektur wahrnehmen, gibt es ein paar gute Seelen, die ihren Urlaub für Freiwilligenarbeit einsetzen. Dieser Einsatz ist auch dringend nötig! Was Tierschutz angeht, ist Spanien ein Drittweltland!

CYD Santa Maria: eine Pferdeaufffangstation bei Málaga

Durch einen Zufall und zur richtigen Zeit am richtigen Ort im Internet unterwegs bin ich auf den Verein und die Herberge CYD Santa Maria gestossen. Nach kurzem Austausch mit einer Schweizerin, die schon oft vor Ort Freiwilligenarbeit geleistet hat, beschloss ich 2014 für 2 Monate zu Helfen. Während des Sommers 2014 konnte ich so einen tiefen Einblick in die Arbeit in der Herberge erhalten und mit unzähligen Stunden Freiwilligenarbeit beim Unterhalt und der Pflege der Pferde und Ponys mithelfen. Dazu habe ich Freundschaften geschlossen, die – so behaupte ich nach 2 Jahren einmal – ein Leben lang halten werden.

Steffi inmitten von fünf Ponys an Halftern - Freiwilligenarbeit

Pony-Klub: Meine Lieblinge

Zwei Jahre später ist es nun mitunter die Familie rund um die Auffangstation, bestehnd aus Freiwilligen vor Ort oder aus halb Europa sowie den verantworlichen zwei Schwestern, die mich zum Entscheid bewogen, unser Projekt “comewithus2 – Roadtrips in Europa” in Málaga zu beginnen. Während der Zeit ohne Lui konnte ich 2x die Woche bei den Pferden mithelfen, traf zwei gute Freundinnen von vor zwei Jahren für einige Wochen wieder und hatte nebst der Arbeit mit dem Blog einen tollen Ausgleich. Selbst Lui als naja nicht kompletter Pferdenarr kommt gerne mit und mistet fleissig, füllt Wasser auf, macht mir den Zaunöffner oder hilft sogar bei den ein oder anderen Pferden und Ponys beim Putzen, Hufe auskratzen und kleineren Wundbehandlungen.

1 Tag Freiwilligenarbeit im CYD Santa Maria

Kurz vor 9 Uhr öffnet der jeweils einzige Mitarbeiter des Vereines und der Herberge CYD Santa Maria die Schlösser der schweren Eisenketten am Eingangstor zur etwas versteckten Herberge. Über die unbefestigte holperige Strasse treffe ich ein paar Minuten später auch ein und muss nur noch ein kleines Zahlenschloss öffnen, welches unbekannte Besucher tagsüber vor dem unbefugten Eintritt hindert.

Von hier oben lasse ich morgens gerne den Blick über die Herberge schweifen. Die aktuell 48 Pferde und Ponys dösen noch in den Paddocks, die Hitze des aufkommenden Tages ist noch fern. Es ist ein schöner ruhiger Ort, doch für mich ist es die Ruhe vor einem anstrengenden Tag.

Überbelastete Ponys – des einen Spass ist des anderen Leid

Ich schliesse das Tor hinter mir und lauf den steil abfallenden Weg hinunter. Kaum erblicken mich die Ponys, murren die ersten freudig und kommen angelaufen. Sie wissen, jede Person die sich hier ihrem Paddock nähert, tut ihnen nichts und will nicht mehr als etwas Zuneigung schenken. Gerade die Kleinen haben es ausserhalb dieser beschützenden Zäune nicht einfach.

Die meisten dienten auf Ferías – den Sommerfeiern nahezu jeder Gemeinde in Spanien – als Attraktion. An Pony-Karrussels werden sie rechts und links am Kopf fixiert und laufen bis zu 12 Stunden am Tag im Kreis. Sattel und Ausrüstung passen in den allermeisten Fällen nicht und scheuern die Tiere Wund. Pausen sind selten, so wundert es nicht, dass einige der Tiere zusammenbrechen und an Überbelastung noch vor Ort sterben. In solchen Fällen werden sie einfach ausgetauscht und das Geschäft geht weiter.

Aber hier in der Herberge passiert ihnen nichts. Hier kommen die freundlichen Wesen trotz Misshandlungen in der Vergangenheit murrend und mit gespitzten Ohren angelaufen und warten auf tolle neue Familien, die sie mit Respekt und Liebe behandeln werden.

Auch halbwilde Pferde überleben Südspaniens Hitze nicht

Zur Freiwilligenarbeit gehört auch das Füttern am Morgen, Mittag und Abend. Also schnell einen ganzen Heuballen auf die Schubkarre laden und dann geht es zum Stuten-Paddock. Hier teilen sich fünf Schimmel- und eine Fuchsdame einen hügeligen Auslauf. Sie warten ebenfalls schon. Zwei kommen näher, die anderen halten immer ein paar Meter Abstand. Menschen sind ihnen auch nach ein paar Jahren hier in der Herberge noch nicht geheuer. Sie und die sechs Fohlen von einem anderen Paddock sind die letzten Überbleibsel einer rund 50 Pferde zählenden halbwilden Herde, die kurz vor dem Verhungern gerettet werden konnte. Sie alle waren nur noch Haut und Knochen, die meisten Stuten schwanger, einige hatten bereits kleine im Wachstum zurückgebliebene Fohlen. Es war eine langwierige und schwierige Rettungsaktion, die Pferde hatten Angst und standen beim Einfangen unter grossem Stress – doch es war nötig, sie hätten sonst nicht überlebt.

Wenn ich etwas Zeit habe, gehe ich mit einem Eimer voll Karotten und einer Bürste in diesen Paddock. Erst wenn ich meinen Kopf völlig frei von anderen Gedanken habe und alle Spannung aus meinem Körper entwichen ist, kommen sie langsam näher und trauen sich, die Karottenstücke aus meiner Hand zu nehmen. Für sie wird es schwierig werden, eine Adoptiv-Familie zu finden. Doch hier sind sie sicher, leben in der Herde, haben einen grosszügigen Auslauf und ganz wichtig genug Futter und Wasser. Freiwilligenarbeit heisst also auch mal nichts tun und warten, um Vertrauen aufzubauen.

Krankhafter Fesselzwang bis zur Fehlstellung

Nebenan murren auch schon zwei. Sie wollen auch was vom Heuballen abhaben. Die zwei sind keinesfalls scheu. Zutraulich und geradezu versessen auf Streicheleinheiten kommt die Graue an den Zaun. Ich weiss, dass ihre Lieblingsstelle der Hals ist, also kraule ich sie ausgiebig. Wer mich dabei beobachtet, stellt fest, dass die Haltung ihrer Vorderbeine unnatürlich wirkt. Zu gerade, zu nahe zusammen, sie bewegen sich beim Gehen zu locker. Der Grund steckt in ihrer Vergangenheit.

Ihr Besitzer hat ihr zum Grasen die Vorderbeine zusammengefesselt – im Fachjargon gehobelt. In der Schweiz verboten wird dies in Spanien oft praktiziert. Die Fesseln schneiden ein, das Skelett nimmt ab der zu engen Bein-Stellung Schaden, die Sehnen überdehnen. Dauert der Zustand zu lange, sind die Schäden am Körper irreparabel. Die Pferde somit nichts mehr Wert und sie werden ausgesetzt – mit oder ohne Fesseln – und dem Tod überlassen.

Doch diese Dame hatte Glück. Sie wurde nicht nur gerettet, sondern eine gespendete Operation hat die Fehlstellung korrigiert. Nun bräuchte sie nur noch entsprechendes Training bei einer geeigneten Adoptiv-Familie.

Vorderbein mit vorgestelltem Handgelenk - Freiwilligenarbeit

Fehlstellung Vorderbein nach Fesselung

Tests zu medizinischen Zwecken an Pferden und deren Folgen

Sind alle Pferde gefüttert und die Wasserwannen aufgefüllt, gönn ich mir erstmal einen Schluck Wasser. Die Herberge ist in Hügel eingebettet und es geht immer rauf und runter.

Wer viel frisst, macht auch viel Mist. Den gilt es nun zu beseitigen. Ich schnappe mir Schubkarre und entsprechendes Mistwerkzeug. Heute werde ich Paddock Nr. 8/9 reinigen. Hier wohnen zwei Stuten. Bei der Schimmelstute wird schnell klar, warum sie hier ist. Neben der Scheide wuchert ein riesiger Tumor. Sie wurde für medizinische Zwecke verwendet, als Dank dafür erkrankte sie selber. Ihr Leben in der Herberge ist durch eine nette Paten-Dame gesichert, die sie gelegentlich besuchen kommt.

Schimmelstute mit Hängerücken und Geschwulst am Hinterteil - Freiwilligenarbeit

Missbildung am Hinterteil und durchhängender Rücken

Doch warum ist diese äusserst hübsche braune Stute hier? Wohlgenährt ohne jeden Makel steht sie da und schaut einen erwartungsvoll an. Komme ich ihr zu nahe, legt sie die Ohren an, zieht die Nase lang und droht mich zu beissen. Sie wurde in einem Flussbett aufgefunden. Nur noch Haut und Knochen – ein Bruchteil ihrer heutigen Form. Ein Huf dreimal so gross wie normal. Eine schnelle Rettung gelang und zwei Tage darauf die wohl grösste Überraschung: Die Stute gebar ein Fohlen! Sie war so dünn, dass niemand die Schwangerschaft bemerkte. Die zwei hätten keine Chance gehabt, jetzt leben beide! Dank der Pflege und des Einsatzes der Helfer vom CYD Santa Maria.

Vor der Mittagspause um 13 Uhr nochmals Futter verteilen und Wasser auffüllen. Ich bin dank der Hitze schon kaputt und freue mich auf vier Stunden Pause, die ich oft am nahen Süsswassersee verbringe.

Freiwilligenarbeit: Fohlen-ABC und Wundbehandlung

Nach der Siesta mache ich mich auf zu den Fohlen. Mittlerweile sind diese 2.5 bis 3.5 Jahre alt und es ist höchste Zeit, das Fohlen-ABC zu lernen. Anhalftern geht mittlerweile bei fast allen gut, ein paar Führübungen und Hufe aufheben kennen sie auch schon. Trotz der Mangelernährung während der Tragezeit gedeihen sie prächtig und suchen passende Familien.

Einige der Pferde haben sich wegen den Stechfliegen wundgescheuert. Es gehört ebenfalls zu meinen Aufgaben der Freiwilligenarbeit diese Wunden mit Cremes zu versorgen sowie den Tieren einfach Zeit und Liebe zu geben. Einen Spaziergang innerhalb der Herberge zu machen oder sie auf dem grossen Sandplatz rennen zu lassen.

5 schon grössere Fohlen galloppieren auf Sandplatz - Freiwilligenarbeit

Fohlen geniessen den zusätzlichen Auslauf auf dem Sandplatz

Abends wird es wieder kühler, die letzte Fütterung dient auch gleich zum Tschüss sagen. Um 20.30 Uhr ist ein weiterer Tag Freiwilligenarbeit im CYD Santa Maria zu Ende. Bis bald ihr freundlichen pelzigen Wesen und danke für euer Vertrauen.

Tierschutz in Spanien – Überblick

Erst im Jahr 2010 wurde das spanische Gesetzbuch im Bereich des Tierschutzes reformiert. Seit dieser Reformation ist es immerhin leichter, Tierquäler in Spanien vor Gericht zu bringen. Alle 17 autonomen Regionen Spaniens haben aber ihre eigenen geltenden Regeln und Gesetze, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eine landesweite Regelung wird noch lange auf sich warten lassen, die Ansichten z.B. zum Thema Stierkampf sind zu unterschiedlich.

In den meisten Regionen gibt es das Wort “Tierheim” schlicht nicht. Aufgegriffene Tiere werden nach einer kurzen Frist in den Tötungsstationen, wenn sich niemand meldet, getötet. Schätzungen gehen von mehreren hunderttausend getöteten Tiere jährlich aus!

Kataloniens guter Ansatz: strengste Tierschutzgesetze in Spanien

Es gibt eine vorbildliche Ausnahme: Katalonien! Im nordosten Spaniens sind folgende – für uns so absolut selbstverständliche – Dinge verboten:

  • Tötung herrenloser Tiere
  • Verstümelung und Kupieren von Hunden
  • Verkauf von Hunden im Schaufenster
  • seit ein paar Jahren auch der Stierkampf

Nebst Katalonien ist der Stierkampf nur auf den Kanaren noch verboten, dort allerdings bereits seit 1981. Katalonien geht aber noch einen Schritt weiter und hat auch andere Tierprogramme auf Fiestas verboten.

Bin dann mal weg – Wasser abstellen und abreisen

Die Wirtschaftskriese in Spanien brachte neue Probleme mit sich. Häuser, Autos, Boote und Pferde – alles Luxusgüter und Wertanlagen. Mit eintreffen der Kriese wurden die Häuser verlassen, das Wasser natürlich abgestellt und die Pferde in den Boxen sich selbst überlassen. Ein elender Tod, eingesperrt in einer kleinen Box, überkam die edlen Tiere.

Du kannst auch helfen – Freiwilligenarbeit im CYD

Hast du Zeit und Lust dich in einer tollen Umgebung für einen echt guten Zweck zu engagieren? Dann melde dich für eine Woche, einen Monat oder gerne auch länger für Freiwilligenarbeit. Du brauchst auch nicht zwingend Pferdeerfahrung, es gibt für jeden etwas zu tun! Mit Pferdeerfahrung kannst du einfach andere Arbeiten übernehmen.

Schau dir doch die ausführliche Seite vom CYD Santa Maria an – gibt es sogar in Deutscher Sprache. Wird es konkret, meldest du dich über die Internetseite direkt an, ab dann ist der Kontakt in Englisch oder Spanisch. Falls du damit Mühe hast, helfe ich dir gerne weiter! Schreib mir einfach eine Nachricht.

Steffi mit Fohlen

Steffi und Tiere ziehen sich einfach an

Ausser Freiwilligenarbeit gibt es noch anderes

Nicht jeder hat einfach mal Zeit und Lust sich persönlich zu engagieren. Trotzdem kannst du helfen! Einerseits kannst du mit einer Geldspende die laufenden Kosten helfen zu tragen, eine Sachspende gerade für Wundbehandlung (Betadine, Gasen, Anti-Insektenmittel etc.) senden – klär aber vorher unbedingt direkt ab, was gebraucht wird! – oder du übernimmst eine Patenschaft für eines der Pferde in der Herberge. Mit all diesen Mitteln kannst du helfen, dass es den Pferden in der Herberge an nichts fehlt.

Adoption eines der Pferde

Jetzt wirds interessant! Fast alle Pferde aus der Herberge suchen neue gute Familien, bei denen sie bis zu ihrem Lebensende ein glückliches Leben führen können. Natürlich gibt es Pferde, die ein Leben lang mit Einschränkungen leben müssen und mehr Pflege brauchen. Es hat aber auch kerngesunde Tiere, die nach entsprechender Förderung auch wieder ganz normal geritten werden können.

Schau dir die Möglichkeiten auf der Internetseite vom CYD Santa Maria an und leiste doch einfach mal 1-2 Wochen Freiwilligenarbeit in der Herberge. Auf diese Weise lernst du die Pferde intensiv kennen und siehst, bei welchem Tier die Chemie stimmt. Es soll ja eine Partnerschaft auf Lebzeit werden.

 

Ich hoffe sehr, dass sich die Situation in Spanien zum Wohle der Tiere in den nächsten Jahren bessern wird. Ich für meinen Teil habe sicherlich nicht zum letzten Mal Freiwilligenarbeit im CYD Santa Maria geleistet.

Hast du Fragen zum Tierschutz, zum CYD Santa Maria oder der Freiwilligenarbeit? Schreib mir entweder direkt oder hinterlass einen Kommentar. Kennst du andere tolle Projekte in Europa? Dann schreib mir unbedingt etwas dazu als Kommentar!

Tierische Grüsse

dein comewithus2-Team