Sabine und Micha: 365 Tage im Jahr mit Herman, dem grünen LKW unterwegs
Auf der ganzen Welt sind Reisende, wie wir, mit ihren Fahrzeugen unterwegs. Sie suchen sich ihren Weg durch steiles Gelände, dem Strand entlang oder durch Grossstädte. Sie stossen an ihre Grenzen, erleben atemberaubendes und lernen dabei fürs Leben. In unserer Serie „Mit meinem Bett in…“ stellen wir dir in den kommenden Wochen immer Sonntags verschiedene Reisenomaden vor. Im zehnten Teil lassen wir heute Sabine und Micha zu Wort kommen.
Persönlich
Sabine, Micha und Fenja – das sind wir. Ein verheiratetes Paar Mitte 30 und eine betagte Hundedame. Ursprünglich aus der Nähe von Köln, mit ganz normalen Jobs, einer schicken kleinen Wohnung … doch wir hatten immer das Gefühl “das Leben zu verpassen”. Mit der Zeit wurde immer klarer, dass wir etwas Grundlegendes verändern mussten. Wir wollten den Tag gemeinsam verbringen und etwas von der Welt sehen. So stiess nach reiflicher Planung das vierte Teammitglied dazu: Herman, unser LKW.
Heute können wir sagen, wir haben unser Ziel erreicht. Wir leben und reisen 365 Tage im Jahr in unserem selbstgebauten Wohnmobil, immer dort, wo es uns gerade hinzieht. Das Einzige, was wir an diesem Entschluss bereuen ist, dass wir es nicht von Anfang an so gemacht haben!
Vom Leben on the Road berichten wir auf herman-unterwegs.de und auf unserem youtube-Kanal kann man uns ein Stück weit “live” begleiten. Wir hoffen, anderen Mut machen zu können, die ebenfalls das Hamsterrad verlassen wollen, denn es lohnt sich, für seine Träume zu kämpfen!
Das Fahrzeug
Unser rollendes Zuhause heisst Herman. Seine Jugend verbrachte er bei der Schweizer Armee und war dann in der Forstwirtschaft tätig. Herman ist ein Steyr 680, Baujahr 1971, wir haben den alten Herren vor seiner neuen Aufgabe mit viel Liebe restauriert. In LKW-Liebhaberkreisen hört man immer wieder, dass dieses Fahrzeug “unzerstörbar” sei. Nachdem wir nach der ganzen Arbeit erst einmal einen gewaltigen Motorschaden hatten, können wir dies allerdings leider nicht bestätigen. Jetzt, nach der Revision, schnurrt der 6 Zylinder allerdings wie ein Kätzchen!
Zuvor hatten wir in Eigenarbeit bereits eine Wohnkabine für den Pritschen LKW angefertigt – insgesamt 1,5 Jahre haben wir gebaut und gebaut und … es hat sich gelohnt! Unser Innenausbau ist dabei recht untypisch für ein Wohnmobil geworden. Durch die Nut- und Federbrettchen, die den ganzen Innenraum auskleiden, wird er oft mit einer rollenden Jagdhütte oder einer mobilen Sauna verglichen – dies scheint auch wirklich nicht weit hergeholt, wenn wir erst mal den Holzofen zum Heizen anfeuern. Die Bude auf 50 Grad aufwärmen? Kein Problem!
Ein Vorteil am Steyr ist auf jeden Fall seine Geländegängigkeit, die wir besonders zu schätzen wissen, denn an unsere schönsten Stellplätze, würden wir sonst einfach nicht herankommen. Nachteil ist, dass die Beschaffung von Ersatzteilen im Laufe der Zeit natürlich immer schwieriger wird. Dennoch konnten wir bis jetzt, wie man sieht, immer alles irgendwie lösen.
Ihr habt von uns einen Fragebogen erhalten, wo beantwortet ihr die Fragen?
Wir haben die letzte Nacht an einem Plätzchen direkt am Strand unter Palmen irgendwo an der spanischen Mittelmeerküste verbracht. Ein Freund hat uns die Koordinaten geschickt und der Platz ist wirklich total schön.
Habt ihr auch genug gutes Internet um uns eure Antworten zurückzusenden?
Ehrlich gesagt nicht wirklich, da Spanien für uns nur ein schnelles Durchreiseland ist, halten wir nur mal kurz bei einem öffentlichen WLAN und schauen unsere Nachrichten nach. Internet werden wir uns erst wieder in Frankreich zulegen.
Wir alle benötigen heute am liebsten 24-Stunden Internet, wie löst ihr auf Reisen dieses Problem?
Da haben wir mehrere Möglichkeiten: Wir nutzen mobile Router, die mit einer SIM-Karte funktionieren. Je nach Land nutzen wir dann zum Beispiel “Maroc Telecom” in Marokko oder “free in Frankreich. Wenn wir, wie jetzt gerade nur kurz in einem Land sind, lohnt sich der Kauf einer SIM meist nicht. Für diesen Fall haben wir auf einer Offline-Karte alle möglichen Orte gespeichert, wo es häufig kostenloses WLAN gibt, wie z. B. Carrefour-Supermärkte, Decathlon oder auch McDonalds. Die Tourist-Info der jeweiligen Stadt ist auch immer gut um an kostenloses Internet zu kommen. Wir fahren dann einfach in die Nähe und stellen unsere WLAN-Empfangsantenne auf und schon können wir das freie Internet im Wohnmobil nutzen.
Ist euer Reisemobil eine Internetfreie-Zone oder wird auch da gesurft?
Nein, ganz und gar nicht! Wir leben und arbeiten im Wohnmobil, da ist das Internet für uns essentiell wichtig.
Wie würdet ihr das Innere eures Reisemobils beschreiben, ist es euer Zuhause, das Wohnzimmer, oder alles in einem?
Mann kann sagen, dass Herman einfach unser Lebensmittelpunkt ist. Er ist unser Zuhause, denn die feste Wohnung haben wir aufgegeben. Genauso ist er aber auch unser Büro, denn wir arbeiten von unterwegs. Alles spielt sich also rund um den LKW ab.
Die Küche steht im Reisemobil meist oft nicht weit vom Wohnzimmer entfernt, verrätst du uns euer Lieblings-Camper-Rezept?
Wir machen total gerne Pizza, gerade wenn wir Besuch haben ist das super! Im Sommer wird die Pizza mit frischem Teig nach Lust und Laune belegt und in der Gusseisenpfanne auf dem Gasherd gebacken und bei kalten Temperaturen im Winter auf unserem urgemütlichen Holzofen.
Kocht ihr oft selbst?
Wir kochen grundsätzlich selbst.
Wohnzimmer, Küche, Bad, alles auf wenigen Quadratmetern, warum reist ihr mit dem Camper und nicht mit dem Flugzeug oder mit dem Velo?
Für eine Reise mit dem Fahrrad sind wir wohl zu faul und da wir unterwegs arbeiten, wäre das auf dem Velo auch schwierig. Mit dem Flugzeug überspringt man irgendwie doch das Reisen, die Landschaft verändert sich sofort und nicht stetig. Mit dem Wohnmobil haben wir zudem unser komplettes Zuhause immer dabei, das wäre mit dem Flieger und einem Hotel auch finanziell für uns bei einer Langzeitreise wie zuletzt über fünf Monate in Marokko nicht möglich. Zudem leben wir das ganze Jahr über in unserem LKW, da ist es für uns ganz normal, darin auch zu reisen.
Camping wird oft auch mit Romantik in Verbindung gebracht, was waren bis anhin eure schönsten Erlebnisse?
Puh, da gibt es einige schöne Erlebnisse! Eigentlich jeden Tag aufs Neue. Besonders im Kopf bleiben uns oft Begegnungen mit anderen Menschen, etwa die marokkanische Militärkontrolle in der Nähe der algerischen Grenze. Eigentlich werden immer nur die Daten aus dem Pass übergeben, doch hier kam es zu einem total netten Gespräch mit drei Sprachen, Händen und Füßen und nach dem obligatorischen Tee brachten Freunde, mit denen wir gemeinsam unterwegs waren auch noch Kuchen mit. Einfach schöne Begegnungen. Wir standen einmal in der Sahara, rund 2 Tagesfahrten vom nächsten Dort entfernt und hatten schon seit 5 Tagen keinen Menschen mehr gesehen. Plötzlich taucht ein Kamel auf, am Horizont noch eins und noch eins … ein alter Nomade war mit seiner Kamelherde zu Fuss auf einem Gewaltmarsch von Zagora nach Merzouga unterwegs (200km Luftlinie) und erzählt uns von seinem Leben. Sowas bleibt haften, einfach toll! Das Video dazu gibt es hier: https://youtu.be/5MWajKJng5M
Freud und Leid liegen bekanntlich nahe beieinander, wo liegen die Probleme wenn man mit dem Camper unterwegs ist und seid ihr schon einmal stehen geblieben?
Mittlerweile ist unser betagter 45 Jahre alter LKW echt fit und lässt uns nicht mehr schnell im Stich, aber als wir mit unserem Selbstausbau gerade fertig waren, kam der Motorschaden an unserem Sechszylinder Dieselmotor zu Tage. Da der Steyr 680 ein ziemlicher Exot ist und die Firma schon seit über 20 Jahren nicht mehr existiert, war die Teilebeschaffung nicht gerade einfach. Letztendlich haben uns hier wieder viele unglaublich liebe Freunde geholfen und nachdem die Teile komplett waren, konnten wir den Motor gemeinsam instandsetzen. Die ganze Aktion hat gut drei Monate gedauert.
Auf welchen Gegenstand könnt ihr in eurem Camper auf keinen Fall verzichten?
Auf keinen Fall fehlen dürften bei uns die beiden Rechner. Das ortsunabhängige Arbeiten am Laptop ermöglicht uns erst diese Form des Lebens und die Freiheit, die wir geniessen. Ausserdem ist der Rechner Soundstation, Inspirationsquelle, Nachrichtenportal, Verbindung nach Hause zur Familie, zu Freunden…
Als Camper ist man immer auf der Suche nach der schönsten Route, von welcher Strecke schwärmt ihr bei jeder Camper-Unterhaltung?
Von der Strecke M’hamid nach Foum Zguid. Auf diesem Weg durchfährt man die grösste Sandwüste Marokkos. Der Blick über die Dünen, die geisterhafte Stille – aber auch die nervenaufreibenden, materialvernichtenden letzten Kilometer über Geröll Richtung Foum Zguid werden uns in ewiger Erinnerung bleiben … und garantiert sind wir diese Strecke auch nicht zum letzten mal gefahren!
Links oder Rechts, wer navigiert?
Die nette Frau im Navi erledigt das hauptsächlich für uns, auch wenn sie uns manchmal zur Verzweiflung bringt. Offroad unterstützt Sabine in der Navigation wenn Micha fährt, oder umgekehrt.
Und wer behält die Nerven wenn es der falsche Weg war?
Fenja! Unsere Hündin ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen! Sie liegt zwischen uns vorne in ihrem Bettchen und wir beide drehen total durch, wenn wir mal wieder mit unserem LKW quer über den Wochenmarkt fahren, nur weil wir einmal falsch abgebogen sind.
Bei uns läuft während der Fahrt immer laute Musik, bei euch auch oder singt ihr lieber selbst?
Bei uns läuft leider nur der Motor und der ist so laut, dass wir uns nicht einmal gegenseitig hören können. Ein Radio ist deshalb leider gar nicht verbaut. Sobald der Motor abgestellt ist, läuft dann aber am liebsten Pink Floyd.
Wo übernachtet ihr lieber: Auf dem sicheren Campingplatz oder an einem wilden Ort?
Wir stehen zu 99,99 Prozent frei. Wollen wir mal ein bestimmtes Naturschutzgebiet o. ä. besuchen, suchen wir uns in der Nähe aber einen Wohnmobilstellplatz.
Apropos Sicherheit, wie sichert ihr euch während der Nacht? Hattet ihr gar schon einmal Angst?
Angst hatten wir Nachts im Wohnmobil noch nie. Wir schliessen die Tür ab, das war’s aber auch schon.
Zur schönsten Strecke gehört auch der schönste Stellplatz, wo liegt dieser für euch und warum?
Einer unserer schönsten Stellplätze hat allerdings auch eine der nervigsten Routen, denn über eine Stunde führt eine grobe Steinpiste ins Hinterland! Am alten Fort Bou Jerif der französischen Fremdenlegion in der Nähe von Guelmim. In den Badlands liegt ein Naturparadies mit einem schattigen Palmenhain, neben extrem vielen Schildkröten, Fröschen und einer Vielzahl von Vögeln, ist das Fort Bou Jerif auch eines der schlangenreichsten Gebiete der Erde und beherbergt auch die schwarze marokkanische Kobra. Selbst haben wir leider nur drei Schlangen gesehen und die schwarze Kobra war nicht dabei, dennoch ist es einfach traumhaft morgens von der Sonne geweckt zu werden, die durch die großen Palmenwedel blitzt und beim Blick aus dem Fenster gleiten mehrere Graureiher vorbei.
Was ist entscheidend, ob ihr eine oder mehrere Nächte an einem Ort bleibt?
Wir lieben es zu fotografieren und zu filmen und wenn uns ein Ort sehr gut gefällt, warten hier auch mal ein paar Tage auf gutes Licht oder besseres Wetter. Oftmals gibt es an den schönsten Plätzen keinen Internetempfang und da wir Internet zum Arbeiten benötigen limitiert dies oft unsere Standzeit an einem Ort.
Zum Campen gehört auch immer die Gemeinschaft, man tauscht sich aus. Welchen Kontakt lässt ihr auf keinen Fall mehr abbrechen?
Wir campen meistens allein und stehen gerne an abgeschiedenen Plätzen. Dennoch halten wir zu guten Freunden und Mitcampern engen Kontakt und tauschen uns über das Internet aus. Wer ist gerade wo? Trifft man sich spontan? Vielleicht fährt man eine schwierige Offroadpassage gemeinsam?
Zusammenleben auf wenigen Quadratmetern, fliegen da auch einmal die Fetzen?
Nicht öfter als in der Steinwohnung. Klar, dauerhaft und 24 Stunden am Tag auf 12 Quadratmetern zusammen zu sein, ist bestimmt nicht jedermanns Fall und wir würden davon abraten, wenn man viel Zeit für sich alleine und Abstand braucht. Für uns ist es das Tollste, was uns passieren konnte, unser Leben so gemeinsam verbringen zu können!
Was schätzt ihr am Reisen als Paar?
Wir leben und reisen zusammen als Paar, gerade weil wir es schön finden, die Erlebnisse mit dem Partner, den man liebt, zu teilen!
Damit auch der nächste Tank wieder gefüllt ist, braucht es Geld, womit finanziert ihr eure Reise, lebt ihr dauerhaft im Camper?
Wir leben und arbeiten dauerhaft im Wohnmobil und verdienen unser Geld über das Internet als freie Texterin und als freier Art Direktor in der Werbebranche.
Apropos Tank, wie viel habt ihr für die letzte Füllung bezahlt? (Literpreis/Land)
70 Euro bei 1,16 €/L in Spanien.
Wohin geht eure Reise in den kommenden Monaten? Wie sieht eure Route aus?
Über die Sommermonate sind wir in Deutschland und besuchen Freunde und Familie, es stehen auch einige Geburtstage an. Zuvor werden wir noch gut einen Monat durch Südfrankreich tingeln. Wohin es danach geht? Keine Ahnung, aber es sollte warm sein.
Was meint ihr, kann man als Nomade auch wieder einmal sesshaft werden?
Ja klar, die Frage ist eher, ob man das möchte! Wir können es uns zur Zeit und in naher Zukunft nicht vorstellen.
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Wir danken Sabine und Micha für das spannende Interview und wünschen eine gute Weiterreise nach Deutschland und stets genug Sprit im Tank. Die nächste Folge “Mit meinem Bett in…” folgt am kommenden Sonntag mit dem reisesüchtigen Schweizer Paar Reni und Marcel vom Blog: https://www.swissnomads.ch.
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